Es ist genau ein Jahr her, daß ich die Arena in Bahrenfeld verlassen habe. Dorthin zurückgekehrt bin ich nicht und es gibt nichts an mir, daß sich dorthin zurücksehnt.
Wenn ich zu meiner in Schnelsen lebenden Mutter fahre, dann meistens mit der S3 bis Eidelstedt, wo ich in die AKN umsteige. Eidelstedt war immer unser Treffpunkt. Von dort kann man das Dach der Arena sehen. FrüherTM war das immer eine Anblick der Freude. Wenn es dunkel war hat mich das leuchtende Blau lächeln lassen. Dort war mein zweites Wohnzimmer. Ich habe dort hemmungslos geweint. Gelacht. Fassungslos ins Leere gestarrt. Freunden und Fremden feiernd in den Armen gelegen. Heute gucke ich dorthin und sehe nichts als ein Gebäude.
Ich habe mir meine Wochenenden um die Spieltage verplant. Hatte keine Zeit für meine Rollenspielgruppen oder andere Anfragen von Freunden, die mit Fußball nichts anfangen können und an diesem oder jenem Tag etwas mit mir unternehmen wollten. Es wurde zwar manchmal belächelt, aber akzeptiert, das ich abgesagt habe, absagen musste.
Jetzt, ein Jahr später, sind meine Wochenenden eigentlich immer noch genauso verplant wie vorher, nur das ich halt nicht mehr in die große Arena beim Volkspark gehe, sondern zu meinen Rollenspielrunden, zu Geburtstagsfeiern, lange Spaziergänge durch meine Nachbarschaft mache, einem Amateurplatz oder einer anderen Sportveranstaltung besuche. So habe ich u.A. ein Faible für Rollstuhlbasketball entwickelt und sogar Leute dafür begeistern können, die mit Sport gucken relativ wenig anfangen können.
Aber auch andere Behindertensportarten sind vermehrt in meinen Blickwinkel geraten. Wir haben hier einen Bereich, in dem mit großer Leidenschaft und viel Begeisterung Sport auf hohem Niveau betrieben wird und der dennoch selten in der Öffentlichkeit statt findet oder bemerkt wird. Eine Ausnahme bildet lediglich die Zeit um und während der (Para-)Olympischen Spiele.
Generell beobachte ich schon seit längerem ein Verschwinden von Sportarten in der öffentlichen Wahrnehmung, der Fußball dominiert alles. Alle 2 Jahre gibt es ein aus deutscher Sicht großes relevantes Turnier und quasi das ganze Jahr über Bundesliga, aufgeblähte europäische Ligen (mit und ohne sogenannte Champions), nationaler Pokal und immer wieder Freundschafts- und Testspiele die das Fernsehen dominieren. Des Michels liebsten Kind.
Es ist so unfassbar viel, für das unglaublich hohe Summen bezahlt werden, daß anderer Sport zwangsläufig auf der Strecke bleibt. Ich erinnere mich an Zeiten, in dem der Galopper des Jahres gewählt und vorgestellt wurde. Es wurde in der sonntäglichen ZDF-Sportreportage regelmäßig über Randsportarten wie Rhönradfahren, Radball oder Ringen berichtet. Berichte, die ich immer spannend fand, weil mir hier Bereiche des Sports vorgestellt wurden, die ich nicht kannte.
Stattdessen hat eine ganz schlimme Boulevardisierung und Skandalisierung des Fußballs Einzug erhalten, wie man jüngst wieder am Beispiel von Marco Russ beobachten konnte. Dazu möchte ich ganz besonders den Blogartikel „Normalität“ von Heinz Kamke, sowie den Kommentare von Sternburg und dierudola eben dort empfehlen.
Darüber hinaus wird jede Begegnung zu irgendwas besonderem stilisiert in dem irgendwelche künstlichen Verbindungen gezogen werden, damit der Zuschauer denkt man würde etwas verpassen, wenn man den Kanal wechselt. Nebenbei glänzen Kommentatoren oftmals mit bemerkenswerter Regelunkenntnis und behaupten nach der 25sten Zeitlupenwiederholung aus der 38sten Perspektive das Schiedsrichtergespann hätte dieses oder jenes unbedingt erkennen müssen.
Ich mache da nicht mehr mit. Mir ist die Lust an all dem schon im Laufe meiner letzten Saison vergangen und es hat sich während der gerade abgelaufenen manifestiert. Ich habe tatsächlich nur ein einziges Bundesliga-Spiel gesehen als ich mir Ende letzten Jahres in Köln-Müngersdorf die Begegnung des Effzeh gegen Mainz 05 angeguckt habe. Es fühlte sich fremd und falsch an (und war obendrein kein gutes Spiel).
Wenn Spieltag ist und wer da gegen wen spielt, erfahre ich eigentlich nur über Twitter oder wenn ich zufällig mal zur gleichen Zeit wie eine Horde Fußballfans in der Bahn bin. Die Ergebnisse eines Spieltages habe ich nur selten und dann eher aus leichter Neugierde, denn echtem Interesse nachgeguckt; besondere Gefühle habe ich dabei nie empfunden. Ob Derbysieg oder -niederlage, etwas das mir vor nicht all zu langer Zeit etwas bedeutet hat, es sind Zahlen geworden, die mein Leben nicht mehr beeinflussen.
Profi-Fußball findet in meinem Leben nicht mehr statt. Es interessiert mich nicht mehr und ich vermisse es nicht.
Ich schrieb vor einem Jahr
Ich freue ich mich darauf in Zukunft mehr Zeit für meine anderen Hobbies zu haben.
Und genau so ist es.
Im Grunde genommen bin ich gar nicht ein Jahr ohne, sondern ein Jahr mit reichlich viel.