Es sind gerade für uns alle sehr herausfordernde Zeiten. Und auch ich könnte mir schöneres vorstellen, als derzeit Woche um Woche meine Freizeit zu Hause zu verbringen, anstatt an die Elbe zu fahren oder mich mit Freunden zu treffen, die ich derzeit nur via Internet-Telefonie sehen und sprechen kann.

Auch auf meine geliebten Brett- und Rollenspiele muss ich verzichten. Doch muss ich das wirklich?

Viele meiner Rollenspiel-Runden haben wir umorganisiert und spielen jetzt über das Internet. Für mich ist das kein Neuland, denn ich mache dies bereits schon seit ca. 3-4 Jahren regelmäßig und bin damit sogar ein Späteinsteiger. Die meisten meiner Mitspieler*innen aber sammeln jetzt erst ihre ersten Erfahrungen mit dieser Form des Spielens. Auch wenn das Spielgefühl ein anderes ist, als zu viert oder fünft an einem Tisch zu sitzen und sich an dem Klackern von Würfeln auf der Oberfläche zu erfreuen, so funktioniert es mit den richtigen Hilfsmittel richtig gut. Und es gibt erstaunlich viele davon.

Ich möchte euch, die ihr jetzt vielleicht ebenfalls zum ersten Mal in die Verlegenheit kommt darüber nachzudenken wie gut Rollenspiele online funktionieren, im folgenden einige davon vorstellen. Einige sind von mir erprobt, andere nicht.

DISCLAIMER: Meine Erfahrungen sind dabei natürlich rein subjektiv und mögen sich von denen anderer Spieler*innen unterscheiden. Viele Faktoren können das Spielvergnügen verhindern oder erschweren. Ich besitze einen Laptop mit Windows 10 und mein bevorzugter Browser ist Firefox. So bekannt, ergänze ich um Erfahrungen von Nutzern anderer Geräte und Browser. Teilt mir gerne mit, welche Beobachtungen ihr bei einem der unten genannten Seiten und Portale gemacht habt; ich füge sie dann gerne ein.

Nicht enthalten in dieser Liste sind Tools wie OneNote oder bspw Obsidian Portal, welche zum Verwalten von Kampagnen genutzen werden können, sowie Apps für Smartphones. Diese würden den Rahmen sprengen und sind ein Thema für sich.

Plattformen

Discord

Ein Discord-Server ist schnell eingerichtet und bietet die Möglichkeit mehrere nach Kategorien geordnete Kanäle einzurichten. Dazu gehören auch Audio und Video-Kanäle. Der Vorteil an den Sprachkanälen ist, dass diese auch nach dem Wechsel in andere Diord-Kanäle und sogar Server aktiv bleiben, so lange sie nicht explizt beendet werden. So kann sich gleichzeitig via Discord unterhalten und in einem anderen Kanäl schriftlich kommuniziert oder mittels Bot gewürfelt werden.

Meine Video-Erfahrung mit Discord ist leider durchwachsen: die Bildqualität ist wirklich gut, aber wir hatten leider das Problem das bei einem der Teilnehmer*innen irgendwann Bild und Ton asynchron wurden. Dies war auch nicht immer dieselbe Person, so daß es nicht einzugrenzen war, woran es lag. Da diese Erfahrung aber schon eine Weile zurückliegt, hat es sich mittlerweile vielleicht verbessert.

Es gibt außerdem verschiedene Würfelbots, die in Discord eingebunden werden können, wie zB Sidekick oder Rollbutler. Zum Thema Würfel jedoch später mehr.

Fantasy Grounds

Speziell für Rollenspiele gedacht und entwickelt ist Fantasy Grounds. Mein Eindruck ist, dass es sich vor allem lohnen könnte, wenn Spiele mit taktischen Kämpfen und Dungeons, bzw bei denen das Zeichnen von Karten, ein wichtiges Element ist, gespielt werden. Fantasy Grounds beinhaltet u.a. schon die Regelwerke von D&D, Pathfinder, Numenera und Fate. Wie der Startseite zu entnehmen ist, sind außerdem diverse offizielle Module von verschiedenen Verlagen als zusätzliche Inhalte käuflch erwerbar. Um es vollumfanglich zu verwenden muss es entweder als monatliches Abo oder zu einem einmaligen Vollpreis gekauft werden. Ich habe Fantasy Grounds noch nicht verwendet.

Hangouts

Google Hangouts gehört immer noch mit zu den am stabilsten laufenden Seiten. Leider ist Hangout mittlerweile extrem limitiert, was Zusatzfunktionen angeht. Früher™ gab es dank Plugins diverse praktische Dinge, wie Würfel, Lebenspunktverwaltung und Bauchbinden für Name, Rolle, etc . Seit im April 2017 allerdings die Unterstützung der API eingestellt wurde ist all das nicht mehr möglich. Immerhin der Chat funktioniert noch. Nichtsdestotrotz soll Google Hangouts zum Ende diesen Jahres komplett eingestellt werden. Bis dahin nutze ich es immer noch gerne, nicht für Rollenspiele, sondern auch um mit anderen Freunden und Bekannten zu klönen. Selbst beim lockeren Reden mit 10 Leuten, der maximalen Nutzerzahl, lief es noch einigermaßen vernünftig und hatte nur selten mal einen Tonaussetzer.

Jitsi

Jitsi kann ohne Anmeldung einfach im Browser verwendet werden. Allerdings gibt es dazu gleich ein paar Einschränkungen: am besten funktioniert das nach Angabe des Herstellers im Chrome. Bei mir (und auch einigen anderen) läuft es auch im Firefox, es gibt aber einen Hinweis, dass dieser die Leistung einschränken würde. Safari auf dem Mac, so wurde mir zugetragen, funktioniert gar nicht. Zudem ist Jitsi derzeit extrem beliebt, wodurch es zu gewissen “Stoßzeiten” durchaus spürbare Performance-Probleme bzgl der Qualität des Streams gibt. Wer einen eigenen Server hat, kann es auch über diesen laufen lassen, dazu habe ich aber keine Erfahrungswerte.

Roll20

Roll20 ist DIE große Plattform, wenn es um Rollenspiele im Internet geht. Es vereint eigentlich alles, was sich die Rollenspielerseele so wünscht: angefangen von der Spieler-, bzw. Gruppensuche bis hin zur Charakterverwaltung, Würfeln und Battlemat. Zusätzlich bieten zB Chaosium, Evil Hat oder Wizards of the Coast offizielles Material wie Regelwerke und Abenteuer mit Handouts, Karten, Token, etc zum Kauf an, was die Mühe erspart diese gegenenfalls selbst einzuscannen und hochzuladen. Allerdings kosten diese genauso viel wie das physische Produkt, es erscheint mir also nur attraktiv zu sein, insofern es noch nicht vorliegt oder ihr als Gruppe legt evtl zusammen, wenn ihr unbedingt damit spielen wollt.

Es gibt aber auch eine wirklich beeindruckend große Zahl an Charakterbögen für extrem viele Spiele und Systeme (auch auf Deutsch), die von Fans angefertigt wurden, so dass eigentlich fast alle Wünsche abgedeckt sein sollten. Diese sind meines Wissens nach kostenlos.

Kostenlos ist Roll20 auch in der Basis-Version, die zum grundsätzlichen Spielen reicht. Wer aber so gut wie ausschließlich die Position der Spielleitung in einer Gruppe hat und es ausführlich nutzen will, sollte sich überlegen früher oder später auf eine Plus oder Pro-Mitgliedschaft umzusteigen.

Aber, so super das auch alles klingt, es gibt auch den einen oder anderen Haken: zum einen ist da die Videochat-Funktion. Die funktioniert nicht immer für alle gleich gut und so ziemlich alle Spieler*innen die ich kenne verzichten darauf sie zu nutzen. So war auch meine letzte Erfahrung damit furchtbar. Bei einem der Mitspieler*innen gab es immer entweder keinen Ton oder kein Bild und sobald jemand neu dazu kam, begann das Spiel von vorne.

Es bietet sich also an zumindest für die verbale Kommunikation eine andere Plattform zu nutzen.

Desweiteren ist Roll20 nicht unbedingt intuitiv zu bedienen. Es bietet selbst ein sehr ausführliches Tutorial an, aber es gibt auch einige YouTube-Kanäle, die euch den Einstieg in das Spielen mit Roll20 erklären.

Stellvertretend dafür seien der deutschsprachige Schritt für Schritt Einstieg in Roll20 mit Schwerpunkt auf D&D von Peter von Mit Vorteil erwähnt, als auch die beiden Videos von Dyn vom Schmetterting-Verlag in dem sier zum einen zeigt, wie eine X-Karte in Roll20 angelegt wird, als auch ein weiteres in dem sier diverse Features rund um Roll20 zeigt und Fragen beantwortet.

Ich selber würde nur mit Roll20 spielen, wenn es sinnvoll ist. Für die meisten rein narrativen Spiele halte ich es ansonsten für einen Flugzeugträger auf dem Ententeich. Spiele wie D&D oder Savage Worlds jedoch bei denen gerade die Kämpfe auch taktische Elemente beinhalten kriegen mit Roll20 ein fantastisches Tool.

Skype

Skype wiederum ist DER Klassiker unter den Videochat-Programmen. Mittlerweile gehört es zu Microsoft und wird wohl von ihnen nur noch stiefmütterlich behandelt. Es gibt halt Teams (s. unten) aus dem eigenen Hause. Jemanden über den Nutzernamen zu finden hat bei mir in der jüngeren Vergangenheit nicht immer reibungslos geklappt. Am sinnvollsten scheint mir hier den Link aus dem Profil als Einladung an andere weiterzugeben. Das miteinander Sprechen und dabei ansehen können funktioniert aber gut.

Tabletop Simulator

Der Tabletop Simulator ist eine auf Steam verfügbare Software, die einen virtuellen Spieltisch darstellt. Er wird primär zum online spielen von Brettspielen verwendet, ich habe aber auch schon von Rollenspielgruppen gelesen, die ihn für ihre Zwecke benutzen. Über den Workshop sind z. B. Battlemats und Figuren als Zusatzinhalte erwerblich, um Kämpfe darzustellen. Frosty hat mal ein Video zu dem Thema gemacht. Ich selbst besitze ihn erst seit kurzem und habe noch keinerlei Erfahrungen mit ihm gemacht.

Teams

Teams ist die Microsoft-Version einer Video-Konferenz-Software und funktioniert im Grunde genommen wie Skype, das ja von Microsoft aufgekauft wurde. Bild- und Tonqualität sind sehr gut, allerdings ist als reine Business-Lösung gedacht. Private Nutzer sollen weiterhin Skype verwenden. Wenn ihr Teams berufsbedingt auf eurem Rechner habt, klärt lieber vorher, ob ihr es auch privat nutzen dürft.

Teamspeak

Teamspeak ist vor allem bei den Spielern der Drachenzwinge sehr beliebt. Um Teamspeak zuverwenden muss sich entweder in einen bekannten Server angemeldet werden oder es auf dem eigenen installiert werden. Meines Wissens nach ist Teamspeak per se nur ein Audiochat, es soll wohl aber auch eine Videofunktion mittels Plugins geben.

Whereby

In der kostenfreien Variante könnt ihr Whereby mit bis zu vier Personen nutzen. Ich habe es noch nicht verwendet und kann daher nichts über die Qualität berichten.

Zoom

Zoom als Videoplattform ist nur sinnvoll zu nutzen, wenn eine*r der Spieler*innen einen Premium-Account hat, da die Zeit ansonsten auf 40 Minuten beschränkt ist. Es bietet dafür die interne Möglichkeit ein Whiteboard zu verwenden, sowie ein sehr gelungenes Monitor-Sharing. Wir haben in einer meiner Runden jetzt zum zweiten Mal via Zoom gespielt und sind sehr zufrieden mit der Qualität und Stabilität des Dienstes. Diese Qualität hat aber, wie erwähnt, auch einen monatlichen Preis (kleine Anmerkung: der Preis ist noch ohne Steuer, die Pro-Version kostet monatlich ca. 16€).

Darüberhinaus gibt es viele Sicherheitsbedenken bzgl des Datenschutzes bei Zoom. So kam es in der Vergangengeit zu sogenannten „Zoombombing“ bei dem sich Leute sehr einfach in den Raum anderer Nutzer einwählen konnten. Als Reaktion darauf wurde es von Seiten des Herstellers ermöglicht beim Erstellen eines Raumes diesen mit einem Passwort zu schützen. Es gibt einige Artikel zu diesem Thema, wenn ihr das tiefer ergründen wollt.

Tools

Karten

Deck of Cards

Deck of Cards bietet Pokerkarten von 2 bis As, inkl. Joker. Weitere Decks können bei Bedarf hinzugefügt werden. Brauchbar z.B. für die Initiative bei Savage Worlds.

Playing Cards Generator

Der Playing Cards Generator kann schon ein wenig mehr als nur Karten ziehen. Wer beispielsweise nur Karten einer bestimmten Farbe haben möchte, kann dies einstellen, genauso wie viele Karten gewünscht sind. Außerdem kann zwischen einem französischem Standard-Deck, sowie einem Pokerblatt gewählt werden. Die gleiche Seite bietet auch das Werfen einer (Euro-)Münze an.

Whiteboards

Dies sind ein paar mir bekannte Seiten, die als virtuelles Whiteboard verwendet werden können, allerdings habe ich noch keine von ihnen im Spiel eingesetzt.

• AWW – A Web Whiteboard
• Google Jamboard
• Shmeppy erfordert eine Registrierung, ist aber konkret für Rollenspieler gedacht.
• Whiteboard Fox
• Ziteboard bietet in der Pro-Version auch die Möglichkeit eines Video- und Text-Chats.

Würfel

Roll Butler

Der Roll Butler bietet zahlreiche Würfel-Skripte für verschiedene Systeme und kann als Bot, z. B. in Discord, eingebunden werden. Eine Registrierung auf der Seite bietet den Vorteil, das Passwort gesicherte Räume erstellt werden können, so daß die Würfelergebnisse gut zugeordnet werden können. Die Funktionalitäten des Roll Butlers werden regelmäßig ergänzt und erweitert. Wer einen Bug entdeckt oder auf ein Problem stößt, erhält normalerweise zügigen Support durch Entwickler Michael Jaegers.

Roll For Your Party

Das Aufrufen von Roll For Your Party erzeugt eine individuelle URL, die in den eigenen Lesezeichen abgespeichert werden kann, so daß der Raum für spätere Verwendungen erhalten bleibt.

Dieser Raum kann von mehreren Spieler*innen gleichzeitig verwendet werden, in dem sie sich beispielsweise jeweils eine der Würfel-Farben aussuchen. Dank dieses Featurues wird auch ein Spiel wie z. B. Fiasko gut online spielbar.

Trotz des Namens lassen sich auch Spielkarten mittels Roll For Your Party verteilen und es bietet die Möglichkeit eine X-Karte, bei Bedarf sogar mit Begründung, ausspielen zu können.

Sidekick

Sidekick ist ein Würfelbot für Disord, der auch Spielkarten austeilen kann. Ich habe mit diesem bisher keine Erfahrungswerte gesammelt, sondern verwende entweder den Rollbutler oder analoge Würfel.

Fazit

Ihr seht, es gibt wirklich viele Möglichkeiten unser Hobby vom heimischen Wohnzimmer in die virtuelle Welt zu verlegen und dies ist nur eine kleine Auswahl davon. Am Ende ist es eine individuelle oder, noch besser, eine Gruppenentscheidung, welche Plattform oder welches Tool dem eigenem Spielstil am besten liegt. Dies mag sogar, sofern ihr mehrere Gruppen in unterschiedlichen Zusammensetzungen habt, verschieden gehandhabt werden. Wichtig ist, dass ihr euch alle einig und zufrieden seid.

Berichtet mir gerne, wenn ihr noch andere Plattformen oder Tools kennt, die unbedingt berücksichtigt werden sollten. Auch Hinweise, wenn ich etwas falsch oder ungenügend wiedergegeben habe, nehme ich gerne entgegen.

Die Frage, wo und wie ihr Leute zum Spielen findet, sofern ihr euch nicht ausgelastet fühlt oder die eigene Gruppe nicht online spielen will, beantworte ich bei Bedarf gerne ein anderes Mal.

Bitte berücksichtigt weiterhin alle Vorsichtsmaßnahmen, die zur Eindämmung der Pandemie wichtig sind und informiert euch darüber, wie diese in eurem Bundesland aussehen. Es ist wichtig, dass wir in dieser Zeit als Gesellschaft zusammenstehen. Bleibt zuhause (und spielt).